Nur mal schnell durchs Feld

Wir weilen an einem Fortbildungskurs. Da ich nicht alle Kurse belegen muss, nutze ich die frei Zeit für einen ausgedehnteren Stadtbummel. Ich verspreche meinem Kollegen, dass ich rechtzeitig zurück bin, damit wir noch vor dem Feierabendverkehr nach Hause fahren können.

So flaniere ich durch die Stadt, erledige meine Einkäufe – wie es so ist – die Zeit verrinnt… In einer halben Stunde sollte ich wieder im Schulungsgebäude sein. Das schaffe ich unmöglich. Mit dem nächst besten Tram fahre ich zur Endstation. Per Handy versuche ich meinen Kollegen anzurufen, dass ich mich etwas verspäten werde. Wie es so ist, gerade heute ist mein Akku leer – und wie vermutet, verpasse ich auch noch den Anschlussbus. Kein Taxi weit und breit. Also mache ich mich zu Fuss auf den Weg. Von der Strasse aus, hinter einem Maisfeld, kann ich bereits den Fahnenmast vom Seminargebäude erkennen. Da es schon lange nicht mehr geregnet hat, nehme ich die Abkürzung über die abgemähte Wiese und durch zwei deutlich voneinander abgetrennte Maisfelder. Dank dieser Schneise komme ich zügig voran. Plötzlich entdecke ich rechts vor mir ein riesiges Hanffeld. Von diesen wunderschönen voll erblühten Pflanzen muss ich dringend ein paar Blätter und Blüten haben. Um diese von Hand zu ernten, habe ich keine Zeit. Deshalb versuche ich den oberen Teil der Pflanze abzureissen. Das Kraut ist zäh. Unter Zeitnot zerre ich forsch an der Staude. Diese gibt erst nach einem dritten Ruck nach. Was soll ich jetzt mit dem riesigen Stängel, inklusive Wurzel? Etwas nervös schaue ich mich um! Schnell klopfe ich die Erde von der Wurzel. Das streng schmeckende, etwas klebrige Grüngut wickle ich um die robusten Wurzelstränge. Diesen unförmige Hanfballen wage ich nicht einfach so in meine grosse Handtasche zu stopfen… Also verpacke ich alle meine eingekauften Sachen in die grössere Plastiktüte. Die zusammen gewurstelte Hanfpflanze stopfe ich in den kleineren Sack und diesen wiederum verstaue ich in meine Handtasche. Nun aber schnell weiter…

Mein Kollege steht schon bei seinem Auto. Neben ihm eine mir unbekannte Frau. „He, darf ich dir Susi vorstellen! Sie wird ab nächsten Monat unsere neue Arbeitskollegin! Ich habe sie eingeladen, mit uns nach Hause zu fahren. So können wir einander besser kennen lernen!“ Das ist ja super, endlich erhalten wir Verstärkung in unserem Team. Damit ich bei ihr zum voraus punkten kann, überlasse ich ihr den Beifahrersitz und setze mich auf den Rücksitz. Schon nach der ersten Kehre, schaut unsere neue Kollegin angestrengt aus dem Seitenfenster, kräuselt die Nase und meint: „Typisch Landwirtschaft, es riecht etwas streng!“ Mein Kollege schnüffelt nun ebenfalls und sagt ganz trocken: „Hier riecht es hanfartig!“ „Ja, klar!“, antworte ich, „In meiner Handtasche hat es welchen – gefunden im Maisfeld!“ Unsere Mitfahrerin schaut entsetzt nach hinten. Ich öffne derweil triumphierend meine Tasche und zeige ihr das Grünzeug! Mein Kollege fährt mit einem Ruck an den Rand der Strasse, steigt aus, öffnet die hintere Tür und reisst mir meine schöne Tasche aus der Hand! Mit grossen Augen guckt er in den Plastiksack und schnüffelt am Inhalt. „Das riecht aber kräftig! – Wie kommst du zu diesem Zeug und für was brauchst du das?“ Lachend erzähle ich den beiden von meiner Abkürzung. Ebenso erkläre ich ihnen, dass ich wegen meinen rheumatischen Schmerzen gerne abends zum Einschlafen einen Hanftee (versetzt mit Milch) trinke. Meine Muskelkrämpfe könne ich so mildern und zudem viel besser schlafen. Bis anhin, hätte ich das Zeug in einem alternativen Laden, in Form von Hanfkissen, kaufen können. Nun, dürfe dieses Geschäft nichts mehr dieser Art verkaufen, da sie sonst schliessen müssten. Ausserdem, eine Hanfpflanze selber auf dem Balkon zu kultivieren, könne ich wegen meinen Kindern nicht verantworten. Für mich sei dieser heutige Fund wirklich ein Glücksfall! Mein überforderter Arbeitskollege schüttelt den Kopf, grunzt etwas verächtlich und verstaut das „Corpus delicti“ sichtlich verärgert im Kofferraum! Der intensive Hanfgeschmack bleibt uns auf der ganzen Heimreise erhalten… Ein lockeres Gespräch ist entweder dadurch, oder wegen unserer Müdigkeit, nicht mehr zu Stande gekommen.

Ein paar Tage später sitzen mein Kollege und ich mit Susi in der Kantine. Wir reden über dies und das. Unter anderem klagt mein Kollege über starke Rückenschmerzen und er könne nachts kaum schlafen. Da sehe ich ihn triumphierend an und rate ihm flüsternd, er solle es doch mal mit Hanftee versuchen. Entsetzt und bestimmt erklärt er mir, dass er solches Kraut nie und niemals anrühren oder sonst wie konsumieren werde… Grinsend erkläre ich ihm: „Ich sage ja nicht rauchen, sondern nur trinken, mit etwas Milch!“ Susi lacht schallend und raunt kichernd: „Ja, trink das Zeug ruhig. Hab’s letzthin auch ausprobiert. Es wirkt tatsächlich, ziemlich rasch und prompt!” Weiter fügt sie an: “Wisst ihr, mein Untermieter hat einen Teil von unserer Böschung für Eigenbedarf übernommen. Er hat unter anderem, zwischen Himbeer- und Johannisbeersträuchern, etwas Hanf angesät. So wächst bei mir seit Jahren eine Hanfstaude, die ich nie als solche erkannt habe. Erst als du mir diese im Auto gezeigt hast, wusste ich, was das für eine Pflanze ist. Nächstes Jahr wird mein Untermieter aus dem gewonnen Samen eine zusätzliche Staude für mich wachsen lassen – ich kann euch beiden davon gut und gerne ein paar Blätter überlassen – falls ihr wollt!“

Wenn wir nicht wollen, dann überlassen wir das Zeug halt unsern Singvögel; denn diese dürfen Hanfsamen aufpicken so viel sie wollen – ganz legitim! Meist werden diese sogar ihrem Vogelfutter beigemengt.
Falls trotz Vogelfrass diverse Samenkörner in unseren Gärten aufkeimen und sich zu wunderbaren Pflanzen entwickeln, dann ist das dem Tierreich egal – und für uns Menschen fast legal!

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3 Gedanken zu „Nur mal schnell durchs Feld

  1. So, so… Wer stampft um dies Jahreszeit auch durch ein Hanf-, ähm Maisfeld? Eher rutscht man auf einem Eisfeld aus!

    Das mit dem Vogelfutter habe ich auch schon gehört. Man kann auch GoogleEarth zur Hilfe nehmen und gucken, was es in Maisfeldern so zu entdecken gibt! 😉

    Gruss Fluffi mit kalten Pfötchen

  2. Bingo Fluffi!
    Genau so ein Bild aus GoggleEarth (Vogelperspektive) hat mich zur obigen Geschichte inspiriert.
    Gruss Mutti aus der warmen Stube

  3. 😉 sehr nett das ganze, da muss ich doch glatt auch mal mein Google Earth an schmeißen, wenn man dort solche Inspiration bekommt. Und ich persönlich finde Hanfpflanzen gar nicht so verwerflich, man kann ja auch nützliches damit machen. Aber offen darf man das ja nicht sagen.

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