Aeltere Frauen unter sich

Hundevergnügen im eisigen Januar



Was kümmert es Chicco, dass ich erkältet bin und es draussen so eisig kalt ist. Der Vierbeiner will auf seinen ausgiebigen Spaziergang nicht verzichten. Also, ziehe ich mich warm an. In meinem wattierten Kapuzenanzug, den Lammfellschuhen, Halstuch und dicken Handschuhen sehe ich aus, wie ein ausgestopftes Eskimoweibchen. Da es mir, wegen dem Fieber etwas schwindlig ist, benutze ich, für meinen sichereren Stand (und Verstand?) resp. Laufschritt meinen Jogger – Dreiradwagen.

Bereits nach ein paar Metern, auf einem Feldweg, begegne ich einer mir unbekannten älteren Frau. Ihr Hund begrüsst meinen Chicco – und schon tollen beide auf dem verschneiten Gelände um die Wette. Das ist ja wunderbar, so wird mein Hund schneller müde und ich komme geschwinder wieder nach Hause…

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Schon bald bereue ich meine Entscheidung. Denn meine Begleitung entpuppt sich als anstrengende und unermüdlich tratschende Zeitgenossin. Sie berichtet mir, wie viele böse Leute es auf dieser Welt gebe. Sie habe manchmal das Gefühl, die ganze Welt sei gegen sie. Neulich sei bei ihr eingebrochen worden… Seitdem habe sie den Hund. Dieser habe eine Velofahrerin etwas geschuppst, mit dem Resultat, dass sie von der Polizei eine Vorladung bekommen habe. Auf dem Posten habe sie eine Busse erhalten, weil sie sich energisch für ihren Hund eingesetzt habe. Zu guter Letzt habe sie noch einen Hundekurs besuchen müssen…

„Oh Hergott verrate mir, wie ich diese Madame wieder loswerde!?“, denke ich… Da, meine Rettung! Nur ein paar Schritte vor uns ist meine Kollegin mit ihrem lustigen Dackel. „Hey …“, will ich ihr zurufen. Doch diese verschwindet in windeseile in den nahen Wald. Wahrscheinlich hat sie mich in meinem Aufzug und Dreiradwagen nicht erkannt… „Ha, sehen Sie, diese Person dort, die verzieht sich aber sehr eilig, wenn sie mich sieht!“, triumphiert meine für mich nicht mehr so liebsame Begleitung. „Wissen Sie, die hat ihr Haus verkauft. Das ganze Dorf war froh darüber. Jetzt wohnt sie in einer Siedlung mit Eigentumswohnungen. Dort hat sie dann nichts mehr zu lachen. Die werden dieser Dame ihr vorlautes Mundwerk schon stopfen!“ „Ach was…“, versuche ich einzuwenden. „Kennen Sie diese Frau?”, fragt mich mein Gegenüber. Aus irgend einem Grund verneine ich. Jetzt werde ich aufgeklärt, dass eben gerade diese Frau eine sehr aufsässige Person sei. Ich meinerseits ärgere mich über ihre unwahren Ausführungen und denke: „Puh, das ist ja hundertfünfzig-protzentige Verleumdung! Mir reicht es!“. Rasch pfeiffe ich Chicco zu mir, damit ich mich so eilig aus dem Staub machen kann.

Doch weit gefehlt. Die Frau heftet sich an meine Fersen und will wissen, wohin ich jetzt gehe. „Ach, ich muss nach Hause. Dort wartet mein Mann auf mich?“ „Was, Sie haben ihren Mann noch?“ Ich überhöre ihre zynische Frage und verabschiede mich. „Nein, nein, sie gehen mir, um diese Zeit, aber nicht mehr alleine über das Feld. Es ist bereits dunkel – sie könnten ja überfallen werden!“ Entschieden wehre ich ihre Hilfeleistung ab. Ahnungsvoll fühle ich mich wie eine zappelnde Fliege im Spinnennetz. Denn die gute Frau umgarnt mich wie eine gefrässige Spinne! Da unsere Hunde immer noch emsig und aufgeregt umher tollen, fühlt sie sich bestärkt in ihrer ritterlichen Rolle bestärkt. Hundevergnügen hin oder her. Ich habe genug und will nur noch nach Hause. Deshalb frage ich die resolute Dame, ob denn niemand zu Hause auf sie warte. „Nein, nein, stellen sie sich vor, ich habe nur eine Tochter und die kommt selten nach Hause und mein Mann ist vor einiger Zeit auf der Toilette gestorben! Ja, das war eine Sache, das kann ich ihnen laut flüstern!“ – „Grzzz… och, die Frau gibt keine Ruhe, herrgottsakrament!“ – Im triumphierenden Singsang erzählt sie mir nun vom Ableben ihres Mannes: „Also, das war so. Er hat versehentlich die falschen Tabletten geschluckt. Natürlich ist nachts unser Hausarzt nicht erreichbar gewesen. So habe ich die Polizei angerufen. Die ist dann gekommen, etwas später auch der Leichenwagen und so haben sie ihn ins Unispital gebracht, ihn dort aufgemacht und gesehen, dass er etwas Falsches geschluckt hat.!“ – Ich denke für mich: “Wahrscheinlich das Gift einer gefrässigen Spinne!” Etwas unwirsch erkläre ich der Witwe, dass ich nun wirklich alleine des Wegs gehen will. Demonstrativ nehme ich meinen Chicco an die Leine. Weit gefehlt. Die Frau legt noch einen Zacken dazu und fragt mich mit einem sehr resoluten Ton: „Wieso führen sie einen so grossen Wagen mit sich, ohne dass ein Baby oder eine Ware drin ist?“ Verdutzt antworte ich: „Ach, das ist nur, weil es mir etwas schwindlig ist!“ „So, soo! Schwindlig ist ihnen. Ich will ihnen jetzt was sagen, ich bin vierundachtzig! Wenn sie ein Leben lang so gekrampft hätten wie ich, dann müssten sie mit fünfundsiebzig Jahren nicht mit einem solchen Wagen herumlaufen“. Soll ich der Frau offenbaren, dass ich erst siebenundfünfzig bin? Ohne dass ich etwas dazu sage, fährt sie fort: „Sehen sie: ich benötige keine so vornehme Handtasche wie Sie sie da mitführen. Gerade vorhin habe ich auf der Bank mein Geld geholt. Dieses stecke ich in diese schmuddlige Stofftasche! So, und jetzt ist die Post zu, somit werde ich halt erst morgen meine Zahlungen erledigen!“, dabei lacht sie richtig fröhlich und fuchtelt mit der Tasche vor meiner Nase auf und ab und ergänzt: „In einer solchen schmutzigen Tasche vermutet niemand Geld – und – ausserdem, ha, mein Hund kann kräftig zubeissen und meine Tasche verteidigen!“ Sagt’s und folgt mir tatsächlich samt ihrem Vermögen bis zu mir nach Hause…

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Die gute Frau erklärt mir eingehend und immer wiederholend, dass sie auf ihre Schutzbegleitung beharre, weil ich sehr schwächlich aussehe, zudem sicher auch Geld auf mir trage; und sowieso mein Hündchen zur Selbstverteidigung überhaupt nichts tauge… Auf die Idee, dass ich sie hätte überfallen können, ist meine all zu anhänglich Begleiterin nicht gekommen… Zugegeben: an diesem Abend habe ich mich so kaputt gefühlt, dass ich nicht einmal einer Mücke nachgestellt hätte!


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Bild aus: http://www.ruthe.de

2 Gedanken zu „Aeltere Frauen unter sich

  1. Ja, so ein Hund beschert einem immer wieder soziale Kontakte! Wie gut habe ich eine Katze. Die geht alleine weg und kommt meist alleine nach Haus. Und wenn sie mal nicht alleine nach Haus kommt, ist ihr Begleiter in der Regel still und stumm… 🙂

    Liebe Grüsse Fluffi

  2. Lieber Fluffi

    Stille und stumme Begleiter sind meistens tot! Doch sogar über diese könnte man noch eine Geschichte schreiben!

    Gruss Chicco,

    NB: Ach ja, auch ich mache keinen Lärm, ich belle nur hin und wieder!

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