Archiv der Kategorie: Zermatt 2011

Nicht jeder Verlust ist …

einer!


Herrlich schönes Wetter. Es geht bergwärts mit Mann und Hund! Da überholt uns eine Frau. Sie bleibt stehen und zeigt auf Chicco: “Kann das sein, dass der Kleine hinkt?” - Mein Mann antwortet: “Chicco hat sich im Sommer am Knie verletzt. Kreuzbänder und Kniescheibe, alles futsch. Die Operation ist gelungen. Doch leider hinkt er doch etwas hin und wieder!” Da erzählt uns die Frau, sie habe früher zusammen mit ihrem Mann  so genannte Arbeitshunde gehabt: “Mein Mann hatte Schäfer zu Polizeihunden ausgebildet. Schreckliche Zeit. Zum Glück ist er gestorben!” – “… und jetzt haben Sie keine Hunde mehr?” – “Natürlich habe ich noch Hunde … die waren nie das Problem! Meine Zucht rentiert immer noch, denn nur mit der Witwerernte liesse es sich’s nicht so feudal leben!”


Mein Mann ist glücklich gestorben …


meine Hunde rentieren … noch!


Sie finden sich überall …

die Leute aus dem Zigerschlitz!


Fernab von daheim, sitze ich mit meinem Mann an der Sonne. Es darf gestrahlt werden – in eine herrliche Bergwelt.

Grüezi! ist da noch frei!” – “Natürlich gerne!” (Eigentlich weniger gerne, wenn ich ehrlich sein will …). Promt fäng der Herr Dazugekommene an zu quatschen! (Bingo! Darauf habe ich nur noch gewartet!). “Erschrecken Sie bitte nicht, unter dem Tisch schläft unser Hund …” – “Der ist sicher nicht scharf auf meine alten aber immer noch strammen Wädli?!” (Verzichte auf eine Antwort).


Oh, ich bin das erste Mal hier. Hab gar nicht gewusst, dass das Horu so schön und gewaltig ist!”, beginnt der Mister Dazugekommene zu plaudern. “Nun, wir kommen schon hunderte von Jahre nach Zermatt und bestaunen immer wieder die mächtige Ausstrahlung vom Horu!”, antwortet mein Mann! Darauf der andere: “Sie müssen wissen, ich hatte nie ein Interesse, auf Bergeshöhe meine Ferien zu verbringen, weil ich in den Bergen aufgewachsen bin!” – “Es gibt halt Berge und Berge!”, lache ich. “Wem sagen Sie das! Da wo ich aufgewachsen bin, hatte ich den Froni im Genick und den Glärnisch vor der Nase … !” – “Aha, und den Rauti an der empfindlichen Seite?!”, witzle ich. “Ja, woher kennen Sie den Rauti?” – “Ganz einfach, weil ich unterhalb vom Wiggis aufgewachsen bin und mich darüber geärgert habe, dass der Rauti ein Meter höher ist als unser Wiggis! – “So krass und genial! Jetzt mache ich zum ersten Mal in den Bergen Ferien, und dann begegne ich ausgerechnet einer Glarnerin!” – Ich lache: “Fliegen Sie mal nach Ägypten, da begegnen Sie den urchigsten Zigerschlitzler, mitten in der Wüste … in den Gräbern von …, äh, wie hiess das doch …?” – “Theben West, meine liebe Frau!”


Es kommt, wie es kommen muss. Der Herr Dazugekommene und ich fühlen uns plötzlich seelenverwandt! Schon plaudern wir im breitesten Singsang über dies und das aus unserer alten Heimat. “Uebrigens, ich heisse Mutti, doch früher nannte man mich Vreneli!” – “Äh ja, und ich bin der John! Heisse eigentlich Hansruedi, doch niemand nennt mich so seit … !” – “Dann haben wir ja schon wieder etwas gemeinsam! Uebrigens mein Mann kommt aus Mostindien und nirgends wo auf der Welt sind wir jemandem aus dieser Region begegnet!” Mein Mann mischt sich ein: “Doch vor einem Jahr in Kentucky!” – “Du meinst den Päde und den Dave, die an der Texas Bar? Nein, mein lieber Mann die Beiden sind unter dem Rauti im Lochness aufgewachsen. Erst später, nach der Lehre, hat’s die zwei aus dem Zigerschlitz nach Mostindien verschlagen! He, John! Ziemlich sicher kennst du die Zwei auch! Die haben doch dort die grosse Palmenkulturplantage “Paddave” auf Vordermann gebracht!”- “Du meinst aber nicht den Patrik vom Marie-Bäsi seelig und den David vom Malersmüller?!” – “Präzis, genau diä zwei! Das sind würggli zwägi Chaibe! Immer guet druuf!” – “Diä sind wiitume bekannt, als Palmezüchter, sogar in Italien!” – “Gopferdeggel, die chänd doch us jedem Schiissdreck öppis Bodeschtändigs und Huereguets uf Bei schtelle!”


So kommen wir zwei aus dem Zigerschlitz so richtig in Fahrt. Wir sprechen miteinander wie auf Knopfdruck, im urchigsten Dialekt über dies und das! Endlich wieder einmal so sprechen, wie einem der Schnabel gewachsen ist …


Je älter man wird, desto mehr braucht man einen Weißt-du-noch-Freund.


Tilla Durieux